Während in der Rennszene je nach Strecke der Trend eindeutig Richtung ein Kettenblatt vorne geht, propagieren die Medien seit der Einführung von SRAMs XX-Gruppe das Zweifach-Kettenblatt. Für 2011 rüsten die Amerikaner ihre günstigeren Gruppen ebenfalls mit nur zwei Kettenblättern aus, Shimano zieht zumindest bei der XTR 980 nach. Damit wird 2fach 2011 an vielen Bikes zu sehen sein und so mancher Biker wird sich fragen, ob er sein Rad umrüsten soll.

Daher will ich eine Übersicht geben, was es – teilweise schon seit Jahren – an Möglichkeiten gibt und versuchen zu klären, für wen 2fach in Frage kommt und für wen nicht.

3 minus 1 gleich 2?

Weit gefehlt, denn bei einem 2fach-Antrieb wird in der Regel nicht einfach nur das kleine Kettenblatt weggelassen. Das kleinere der beiden Kettenblätter wird kleiner als das mittlere Blatt einer 3fach-Kurbel. Um den Sprung nicht zu groß werden zu lassen, verliert meist auch das große Blatt einige Zähne. Aus der gängigen Abstufung 44-32-22 wird dann zum Beispiel 42-28. Aber was bringt’s?

Vorteile von 2fach

  • Was nicht da ist, wiegt nichts: Ein Blatt weniger, die beiden verbleibenden Blätter kleiner, angepasste Aufnahmen an der Kurbel und ein 2fach-Umwerfer sparen Gewicht. Bei Kurbeln ohne integrierte Welle lässt sich ein schmäleres Innenlager verbauen. Das Schaltwerk braucht weniger Kapazität, dadurch kann der Käfig kürzer sein.
  • Weniger Schaltvorgänge vorne: Während man bei halbwegs aktuellen Antrieben die Ritzel zumindest mit Ach und Krach auch beim stärksten Antritt wechseln kann, hat wohl jeder schon die leidvolle Erfahrung gemacht, dass der Umwerfer die Kette unter Last einfach nicht mehr vom mittleren auf’s kleine Blatt bugsiert oder Kettenklemmer produziert. Diese heiklen Gangwechsel fallen natürlich zusammen mit dem kleinsten Blatt weg. Mit beiden Blättern lassen sich alle Ritzel fahren, ohne dass die Kette zu schräg läuft – auch dadurch reduziert sich die Anzahl der Schaltmanöver.
  • Kleinerer Q-Faktor: Die Kurbelarme samt Kettenblättern können etwas näher an den Rahmen rücken, so dass der Pedalabstand kleiner wird. Das ist als Vorteil zu verbuchen, weil die heutigen Kurbeln mit integrierter Welle sehr breit bauen, womit nicht jedes Kniegelenk dauerhaft einverstanden ist.
  • Mehr Bodenfreiheit: Wird das große Blatt kleiner, verringert sich die Gefahr des Aufsetzens.
  • Verschmutzungsresistenter: Zwischen Rahmen und kleinem Blatt ist mehr Platz, dadurch setzt sich der Antrieb nicht so schnell zu.

Nachteile von 2fach

  • Geringere Übersetzungsbandbreite: Dass beim Wechsel von 44-32-22 auf 42-28 oder 39-26 bei gleicher Kassette der schwerste Gang leichter und der leichteste Gang schwerer wird, brauche ich wohl nicht vorzurechnen. Bergauf muss man daher mit mehr Kraftaufwand treten, auf der Forstautobahn bergab muss man die fehlende Übersetzung mit höherer Trittfrequenz ausgleichen.
  • Unter Umständen hohe Umrüstkosten: Eine neue Kurbel ist schon kein Schnäppchen. Braucht man hinten ein 36er Ritzel, kommt man um eine vollständige Umrüstung der Schaltung auf 10fach-Kassette nicht herum.

Für wen eignet sich 2fach?

Diese Frage ist recht leicht zu beantworten, da neben den Kosten nur die mangelnde Bandbreite gegen den Einsatz von 2fach spricht. Mit Hinblick auf den angedachten Einsatzbereich und das Bikerevier kann man selbstkritisch testen, wie klein der kleinste Gang tatsächlich sein muss, um nicht mit Krämpfen oder kraftlos auf der Strecke zu bleiben. Mit ein wenig Rechnerei zeigt sich dann, ob ein sinnvoller 2fach-Antrieb möglich ist. Am besten lässt sich das mit einem kleinen Beispiel erläutern.

Otto Normalbiker hat eine Standard-Übersetzung von 44-32-22 vorne und 11-32 hinten. Einige Testfahrten ergeben, dass Otto den kleinsten Gang 22/32 nie braucht, sondern höchstens den zweitkleinsten 22/28 fährt. 22 geteilt durch 28 ergibt eine Übersetzung von etwa 0,786:1. Mit Umrüsten der Kassette auf 11-34  reicht Otto also ein 27er Blatt vorne, um annähernd den gleichen kleinsten Gang zur Verfügung zu haben (34*0,786=26,724). Kann er auch noch auf den größten Gang 44-11 – der einer Übersetzung von 4:1 entspricht – verzichten, würde sich die gängige Kombination 42-27 anbieten. Der größte Gang 42/11 ist dann sogar noch geringfügig größer übersetzt als der zweitgrößte Gang 44/12 der alten Konfiguration, nämlich etwa 3,81:1 im Vergleich zu 3,67:1.

Ottos Frau fährt das gleiche Setup, benötigt aber den kleinsten Gang 22/32. Schwerer darf es auf keinen Fall werden, ein etwas leichterer Gang wäre wünschenswert. Otto rechnet nach: 22/32 ergibt 0,6875:1. Mit der für ihn passenden Kurbel mit 42/27 würde das bedeuten, dass das größte Ritzel 40 Zähne haben müsste  – 27/0,6875 ist etwa 39,27. Das größte Serienritzel ist aber nur 36 Zähne groß, woraus sich eine Kettenblattgröße von 36*0,6875=24,75 errechnet. In dem Fall muss abgerundet werden, damit die Übersetzung nicht schwerer wird. Ein 24er Blatt vorne begrenzt aber das größere Blatt auf 36 oder 38 Zähne, weil dann jeder Umwerfer durch den großen Sprung an seine Grenzen gerät. Für Abfahrten auf Asphalt oder Schotter will Ottos Frau sich aber nicht mit 36/11 begnügen, was nur etwa 44/14 entspricht.

Während Otto also mit Umrüstung auf eine andere 9fach-Kassette und die Zweifach-Kurbel bzw. neue Kettenblätter auskommt und nur einen kleinen Kompromiss bezüglich des größten Ganges eingehen muss, würde die Umrüstung auf 10fach bei seiner Frau deutlich teurer und der Wegfall der zwei größten Gänge wiegt schwerer. Im ersten Beispiel erscheint die Umrüstung also einigermaßen sinnvoll, im zweiten nicht.

Kleinster Gang – größter Gang

Leider denken ja viele Menschen keine Radlänge über ihren eigenen Horizont hinaus. In der 2fach-Diskussion äußert sich das dann gerne in der Feststellung, niemand brauche eine Übersetzung wie 44/11, wenn er denn ernsthaft mountainbike. Das mag man für alle gelten lassen, die ständig nur auf verblockten Singletrails bergab unterwegs sind, auf denen die Geschwindigkeiten nicht fahrbar sind, die man mit einer Übersetzung von 4:1 fahren könnte.

Es stellt sich nur die Frage, auf wieviele Biker das tatsächlich zutrifft. So gern ich auf Trails unterwegs bin, komme ich hierzulande selten um das Befahren von Forstwegen oder – Schande über mich – sogar Straßen herum. Gerade bei Marathondistanzen bin ich dann froh, nicht Trittfrequenzen von deutlich über 100 Umdrehungen pro Minute fahren zu müssen, wenn es leicht bergab geht. Bei gemütlichen 80U/min reicht meine größte Übersetzung von 42/11 gerade mal für 37km/h aus und für eine solche Geschwindigkeit bedarf es nun wahrlich keiner kilometerlangen steilen Passstraße.

Insofern sollte man vor einem teuren Umbau genau überlegen, welche Übersetzungsbandbreite man wirklich braucht. Vorher auszuprobieren und aufmerksam zu beobachten, welche Gänge man tatsächlich fährt, kostet schließlich nichts.

Aktuelle Zweifach-Kurbeln

Das Angebot an Zweifach-Kurbeln ist in letzter Zeit deutlich größer geworden, wobei leider fast jeder Hersteller eine eigene Kettenblattaufnahme nutzt und die Kompatibilität gegen Null sinkt.

SRAM hat mit der XX und den neuen Lochkreisdurchmessern 120mm bzw. 80mm vorgelegt und rüstet nun auch die günstigeren Gruppen um, Shimano kontert mit der Topgruppe XTR. Mit diesen bewährten Anbietern kann man Abstufungen von 39-26 bis 44-30 umsetzen.

Daneben gibt es noch einige exotischere Anbieter wie FRM, die das 27er Blatt direkt an ein 42er anschrauben, die gelabelten Taiwanteile von Aerozine und Co. mit 42-29 auf einem 94mm-4Arm-Lochkreis (nicht zu verwechseln mit dem 5Arm-Compact) oder FSA, die diesen Quatsch erfunden haben und nichtsdestotrotz noch einen zusätzlichen 3Arm-Standard in den Markt drücken. Richitg konservativ sind dagegen diverse Anbieter wie KCNC mit dem bewährten 5Arm-Compact-Lochkreis mit 94mm-Lochkreis und einer Abstufung von 44-29. Für kräftige Menschen lässt THM Carbones bei der Clavicula DP schlicht die Aufnahme für das kleine Blatt weg, so dass man sich mit einem 32er begnügen muss.

Die Lage ist also durchaus unübersichtlich und man sollte sich gut überlegen, wie wohl die Ersatzteilversorgung bzw. die Nachrüstmöglichkeiten sind, wenn ein Standard nur von einer Firma an einem Modell eingesetzt wird. Bei aller Kritik am ehemaligen Monopolisten Shimano bezüglich des Erfindens neuer Standards darf man nicht vergessen, dass man hier zumindest noch längerfristig mit Ersatz versorgt wird.

Umrüstung alter Kurbeln auf Zweifach-Abstufungen

Aktuelle 4Arm-Kurbeln mit Lochkreis 104mm/64mm lassen sich umrüsten, in dem an Position des kleinen und mittleren Blattes die gewünschte Abstufung montiert wird. Dafür sollte man sich  im umfangreichen Kettenblatt-Programm von Spécialités TA umschauen. Bei Starbike sind viele der Kettenblätter sofort verfügbar. Hier ist es wichtig darauf zu achten, dass das Kettenblatt mit 104er Lochkreis als „für die Mitte“ bezeichnet ist, weil sonst die Vertiefung für die Kettenblattschraube auf der falschen Seite ist. Alternativen gibt es z.B. von FRM oder Carbon-Ti, von den beiden Extralite-Speziallösungen rate ich auf Grund eigener Erfahrungen ganz klar ab. Eventuell müssen kürzere Kettenblattmuttern und -schrauben verwendet werden, die man häufig mit dem Beinamen „Singlespeed“ findet. Alternativ tun es auch oft Unterlegscheiben, erhältlich z.B. von FRM oder Carbon-Ti. Manche Kurbeln wie die XTR 970 benötigen als kleine Gemeinheit noch zusätzliche Unterlegscheiben zwischen kleinem Blatt und Kurbel, da das originale kleine Blatt besonders ausgeformt ist.

Wer noch den ganz alten 5Arm-Standard-Lochkreis mit 110mm/74mm fährt, sollte sich ebenfalls bei Spécialités TA umsehen und die gleichen Hinweise wie oben aufgeführt berücksichtigen.

Der ebenfalls schon veraltete 5Arm-Compact-Lochkreis 94mm/58mm kann an der mittleren Position minimal ein 29er Blatt aufnehmen, das es bei Spécialités TA, FRM oder KCNC gibt. Das große Blatt braucht dabei nicht ausgetauscht zu werden. Zusätzlich ist die Bestückung von innerer und mittlerer Position wie oben genannt möglich, sofern die gewünschte Abstufung verfügbar ist.

Leider gibt es für die XTR-Kurbel der 960er Generation meines Wissens keine brauchbaren Kettenblätter mit 40 bis 44 Zähnen und Schalthilfen für die mittlere Position, da Shimano hier wieder äußerst kreativ war und einen 102mm-Lochkreis benutzt hat, der zusammen mit dieser Kurbel mittlerweile auch wieder eingestellt wurde. Ebensowenig gibt es ein kleineres als das serienmäßige 32er Blatt für die Mitte.

Q-Faktor und Kettenstrebe

Ältere Kurbeln ohne integrierte Innenlagerwelle lassen sich zusätzlich mit einem kürzeren Innenlager auf eine schmälere Kettenlinie und kleineren Q-Faktor trimmen. Die Kurbeln der aktuellen Generation mit integrierter Welle bieten diese Möglichkeit nicht.

Was aber in jedem Fall beachtet werden muss, ist der Platz zwischen Kettenstrebe und Kettenblättern. Egal ob die ganze Kurbel weiter zum Rahmen hin rückt oder nur größere Kettenblätter auf der inneren und mittleren Position verwendet werden, sollte man nach der Montage genau hinsehen, ob wenigstens noch 3-4mm Luft zwischen Blättern und Strebe ist, denn wegen einer flexenden Kurbel beim starken Antritt mit den Kettenblättern die Kettenstrebe anzusägen kann teuer enden.

4 Kommentare zu “Alles über 2fach

  1. Hallo.Meine Frage wird bestimmt X-mal gefragt aber trotzdem nur für mich.Möchte auf 42/28 und 12-36 umrüsten(XO 2011) habe bisher 44/32/22 und 11-32,brauche aber „Kette links“ganz selten(Mäuseberg im Sauerland),sonst nicht.Wieviel Verlust im Bergbereich habe ich(Meter pro Umdrehung).Hab ein wenig Angst davor nachher mit der Übersetzung nicht mehr hinzu kommen.
    Viele Grüssse
    Theo

  2. so schwer sind die rechnungen doch jetzt wirklich nicht 😉
    übersetzung / v bei 60U/min und 2m Radumfang:
    28/36=0,78 5,62km/h
    22/32=0,69 4,97km/h
    22/28=0,79 5,69km/h
    ergebnis: der kleinste berggang wird dann minimal kleiner sein als der zweitkleinste gang jetzt.

    übersetzung / v bei 90U/min und 2m Radumfang:
    42/12=3,5 37,8km/h
    44/11=4 43,2km/h
    44/12=3,67 39,6km/h
    44/14=3,14 33,9km/h
    ergebnis: der größte gang wird etwas kleiner sein als der zweitgrößte gang jetzt.

    du brauchst also nur größten und kleinsten gang eine weile nicht mehr zu benutzen und zu schauen, ob dir das reicht.

  3. Hallo crazyeddie,
    es ist Zufall das ich auf deinen sehr interessanten Artikel gestoßen bin. Ja aus der Sicht 2010 ist alles super erklärt. Wenn jemand vom Rennrad fahren her kommt und auf das Trekkingrad wechselt, überlegt Er auch schnell wie bekomme ich wieder eine 2fach Kurbel. Und die Umrüstung ging für mich schon vor 15 Jahren. Man muss wissen was man will und vor allem wie die Technik Rad funktioniert und das Rad zu dem Mensch der es benutzt passen soll.
    Viele Grüsse
    Dirk

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