Meine letzte Bikevorstellung war mein Trialrad – ohne Aussicht auf artgerechte Benutzung eigentlich der Gipfel des unnötigen Zweirad-Daseins und sicherlich mit ein Grund warum mich Menschen nie nach der tieferen Bedeutung des ersten Teil meines Nicknames fragen, sondern nur ob ich denn jetzt Eduard oder Edward heiße. Die Messlatte liegt hoch, ich versuche trotzdem nachzulegen. Ich präsentiere: Mein Santa Cruz Juliana Damenbike.

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Santa Cruz Juliana by crazyeddie customs

Geschichte

Dem Klischee nach entsorgen viele Biker ihr altes Material bei ihrer Freundin. Ausgelutschte Parts, zu große Rahmen –  so wurde es in der Vergangenheit gerne auf den zwei Quoten-Frauenseiten in Bike-Magazinen dargestellt. Ich kenne da eher den umgekehrten Fall – man gibt vor, nur den Rahmen des alten Rades gegen einen passenden oder am preisbewussten Damenbike wenigstens die Räder gegen den eigenen Viertlaufradsatz zu tauschen der immer noch 500g spart. Gleichzeitig gelobt man nur ein ganz kleines Budget auszugeben für neue Teile, die aus technischen Gründen unbedingt benötigt werden und hofft inständig, dass nicht ein Kumpel in Gegenwart der besseren Hälfte mit einer unbedachten Äußerung den 50€-Carbon-Flaschenhalter outet. Nach all dem Aufwand gibt es nichts Schöneres für den bikenden Vorzeigefreund, wenn die Liebste die gesparten 4kg mit einem euphorischen „Ich merk keinen Unterschied zu vorher!“ kommentiert.

Ähnlich lief das auch bei dem Juliana. Vor sehr langer Zeit, als ich bereits den Aufbau eines neuen Rades plante und jedem unvoreingenommenen Beobachter klar war, dass 26“ im XC- und Marathonbereich tot ist, stellte sich die Frage: Was tun mit den hochwertigen Teilen meines Scott Spark? 26“ Zoll ist wenn überhaupt nur für kleine Personen noch sinnvoll. Wie der Zufall es wollte, und an dieser Stelle verrate ich einfach mal was über mein sagenumwobenes neues Bike, fand ich auf der Suche nach einer günstigen Quelle für meinen eigenen Santa-Cruz-Rahmen im Fabrikverkauf der Kalifornier den himmelblauen Juliana-Rahmen mit winzigster Rahmengröße und größtem Niedlichkeitsfaktor. Es war zwar Liebe auf den ersten Blick, aber wie das eben manchmal so ist mit ein paar schlaflosen Nächten der Ungewissheit: Würden wir auch zusammenfinden? Santa Cruz wollte den Rahmen nur innerhalb der US of A verschicken und in ein Flugzeug, das ist bekannt, würde ich bei aller Liebe nicht steigen, um ihn abzuholen.

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Heckansicht

Zum Glück erinnerte ich mich an einen weitläufigen Bekannten aus dem IBC-Leichtbauforum, der sich nach kurzer Beschreibung der Lovestory sofort bereit erklärte in seinem US-Exil den Kuppler zu spielen. Da kennt man eigentlich voneinander nur die Räder und Profilbilder im Forum, lebt mehrere Zeitzonen auseinander und doch verbindet einen das wunderbare Band der Beklopptheit, wenn es um Bikes geht. Ein erneuter Dank an Chris aka dogdaysunrise auch an dieser Stelle!

Zielsetzung

Unter 10kg  und optisch schlüssig waren zwei selbstverständliche Kriterien. Kurz vorher hatte ich das Inspired mehr oder weniger fertiggestellt, ein weiteres Ziel war daher keine Unsummen auszugeben. Ich hatte ja auch ein vollständiges Rad, das ich auf Grund der in Kürze (das war by the way vor fast drei Jahren) erwarteten Fertigstellung meines eigenen Santa Cruz auflösen wollte, und einen Rahmen. Leider waren nicht alle Anschlussmaße gleich, so dass ich gezwungen war, einige wenige Teile neu zu erwerben. Soweit die Theorie, kommen wir nun zur Praxis.

Rahmen & Fahrwerk

Santa Cruz hatte schon lange eine Variante des bekannten Eingelenkers Superlight mit der charakteristischen höhergelegten Kettenstrebe nach der Rennfahrerin Juliana Furtado benannt. Der Grund für den Fabrikverkauf der Juliana-Rahmen war die Ausgründung einer ganzen Marke unter diesem Namen, ich konnte also eines der letzten original Santa Cruz Julianas ergattern. Ein XS-Superlight gab es nie, diese Größe war dem Juliana vorbehalten.

Das Fahrwerk wurde eins zu eins vom Spark übernommen: Rock Shox SID Worldcup und Monarch 4.2, letzterer selbst auf Fernbedienung umgebaut. Es versteht sich von selbst, dass beide Federelemente über einen gemeinsamen Lockouthebel bedient werden und vor dem Einbau mit dünnerem Dämpfungsöl auf ein niedriges Fahrergewicht angepasst wurden. Die Dämpferbolzen habe ich gegen welche aus Titan ersetzt, merkt ja keiner.

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Rock Shox Monarch 4.2 mit Umbau auf Remote

Lenkzone

Auf Grund der abweichenden Maße war ein neuer Steuersatz ein Muss. Ein Chris King war mir etwas zu teuer, ich wollte ja nicht übertreiben. Da die Serienbikes meist mit Cane Creek ausgestattet sind und das an der externen unteren Schale auch gut zu sehen ist, entschied ich mich daher für einen 110. Beim Vorbau und Lenker waren die übrigen Teile des Spark ein Ritchey WCS mit 90mm Länge und -17° und ein Ritchey Superlogic 10D Flat mit dem charakteristischen Offset nach vorne, damit die 10°-Kröpfung nicht zu viel Vorbaulänge frisst. Schlussendlich erschienen mir beide Positionen des Vorbaus zu extrem und der Lenker optisch zu gewagt und so wurde es ein langweiliger Syntace F109 und ein übrig gebliebener AX Lightness Hera, der mir dann doch zu schmal und zu wenig gekröpft war für meine eigenen Pläne. Ja, ich weiß schon, nicht übertreiben und so  – aber ich hatte versucht ihn wieder zu verkaufen und niemand wollte einen anständigen Preis zahlen. Die Extralite Aheadkappe mit dem gelaserten Pinup war vom Spark übrig und ist leicht, macht sich auf Grund der Ironie an einem Damenbike aber so oder so hervorragend.

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Frontansicht

Sitzzone

Ein Speedneedle würde bei den meisten Damen allein vom unnachgiebigen Aussehen her wohl keine Begeisterung auslösen, die alte Stütze vom Spark passte auch nicht. Daher wurden es leicht gebrauchte Teile. Die Syntace P6 Full Carbon HiFlex wird bei dem kleinen Auszug ihre Vorzüge kaum ausspielen können, aber an einem Fully muss sie das ja auch nicht. Den Selle Italia SLK LDY Gel FLow habe ich eher wahllos gekauft weil er günstig war, einfach als Basis zum Ausprobieren. Und dann war noch ein Teil von meinem neuen Bike übrig, diesmal aus optischen Gründen – die Tune Würger Skyline Sattelklemme. Die Titan-Spezialschraube hatte ich bei Jäger Schrauben schwarz beschichten lassen, bevor ich auf die Idee kam dass mir eine Schlaufenklemme doch nicht so gut gefällt. Hat sich auch nicht mehr verkauft, also bitte keine Vorwürfe ich würde meine guten Vorsätze nicht einhalten.

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Auf Bewährung: Selle Italia SLK LDY Gel Flow

Antrieb

Das Innenlager am Spark war nicht mehr taufrisch, aber im Fundus hatte ich noch ein XTR SM-BB93. Es war übrig von der 980er XTR-Kurbel, die zunächst im Inspired verbaut war. Vorsätze hin oder her, dass die 175mm-Kurbel mit 42-28 vom Spark für eine Fahrerin dieser Größe nichts zu suchen hatte, war trotz selbstauferlegter Budget-Begrenzung nicht zu  leugnen. Sowohl Länge als auch Abstufung mussten kleiner werden, ohne den eh schon recht großen Q-Faktor von 168mm weiter zu vergrößern. Wie es der Zufall wollte, fand ich eine nagelneue XTR 970 in 165mm im Bikemarkt und dazu noch kaum gefahrene XT-Kettenblätter mit 38-24. Das 24er wurde kurz vor der Montage gegen eines von der 3fach-XTR getauscht, da das kleine XTR-Blatt etwa 1,5mm Offset nach innen hat und ich keine passenden Spacer mehr zu Hand hatte. Die Kassette stammt vom Spark, die Kette wurde dagegen erneuert. Bei den Pedalen dachte ich zunächst an die PD-M970 mit Titanachsen vom Spark, entschied mich jedoch schließlich für neue AEST Plattformpedale mit Titanachse, die auch wirklich nicht so teuer waren.

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Kurz und schmerzlos: 165mm lange FC-M970

Schaltung

Auf Grund der Platzverhältnisse und der Zuganlenkung musste der Dura Ace Umwerfer am Spark bleiben und das Juliana bekam einen XTR Top Swing spendiert. Schaltwerk und Schalthebel wurden unverändert übernommen, aber die mittlerweile leicht vergilbten bk composite Schalthebelschellen aus Carbon habe ich schwarz lackiert. Die leichten weißen Shimano Yumeya Schaltaußenhüllen noch aufzutreiben war gar nicht so einfach, aber bei einem spanischen Ebay-Händler bin ich dann doch fündig geworden. Hat hier jemand „Budget“ gesagt?

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Fast schon retro: RD-M972 9fach

Bremsen

Auch die Ausgleichsbehälterdeckel von bk mussten lackiert werden, ansonsten habe ich die XTR 975 Bremsen unverändert übernommen. Bremsbeläge und Scheiben mussten sowieso mal erneuert werden. 160/140 dürften reichen und so können die Bremssättel ohne Adapter montiert werden.

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Vorderbremse
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Hinterbremse

Laufräder

Da ich mich bis hierhin zurückgehalten hatte, wollte ich die alten Laufräder in absolut einwandfreiem Zustand verbauen und den gelegentlich mal knackenden Freilauf daher wechseln. Allerdings kam ich bei den krassen Ersatzteilpreisen etwas ins Grübeln und entschied mich dann für weniger Geld einen leicht gebrauchten gleichen Nabensatz zu erwerben, um den Freilauf zu tauschen. Dann nahm das Unheil seinen Lauf in Form von günstigen Restposten von notubes-Felgen und ich habe recht spontan einen Satz Podium MMX erworben. Damit waren dann alle Dämme gebrochen und statt günstigen DT Swiss Revolution habe ich Sapim CX-Ray genommen und das Ganze mit Polyax Alunippeln und viel Liebe eingespeicht. Schwalbes Rocket Ron und Thunder Burt, natürlich ohne Schläuche montiert, runden die Laufräder ab. Ob ich den hinteren Schnellspanner auch noch ersetzt habe weil der vom Spark verbogen war? Das kann ich weder bestätigen noch dementieren.

Farbgestaltung

Nachdem der Rahmen den Farbtupfer vorgab und die vorhandenen weißen Bremsleitungen zu den Decals passten, war eigentlich nicht mehr viel zu tun. Der undefinierbare drölfte XTR-Grauton war ebenso wenig zu vermeiden wie das Harteloxal an Standrohren, Dämpferkolben und Schwingenlager. Neu gekauft aus Farbgründen wurden lediglich die vermutlich letzten weißen Yumeya-Schaltzüge in Europa, weitere Maßnahme war das Lackieren der Carbonteile mit altersbedingtem Gelbstich im Klarlack.

Probleme & Lösungen

Eine Macke an der Schwinge ist auf den knappen Platz zum großen Kettenblatt zurückzuführen, nach dem Unterlegen eines 0,8mm-Spacers unter der rechten Lagerschale passt die Kette einwandfrei an der Schwinge vorbei – manchmal entscheiden die kleinen Details. Tja, und das war es auch schon mit Schwierigkeiten – das Schrauben am Juliana war auch bei den nachträglichen Umbauten immer problemlos.

Teileliste

Kein Bike ohne Teileliste, das gilt natürlich auch für dieses Projekt. Die Tabelle mit allen Einzelgewichten und allen technischen Daten findest du hier.

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The same procedure… Sub10, was sonst

Fazit

Klein, niedlich, leicht – das beschreibt nur das Rad, denn – der aufmerksame Leser hat es geahnt – es gibt (noch) keine Fahrerin dazu (Bewerbungen werden unter den bekannten Kontaktdaten entgegengenommen). Insofern hoffe ich die hochgesteckten Erwartungen nach dem Inspired nicht enttäuscht zu haben.

Schließlich ist auch die Absicht das Bike zur Resteverwertung zu bauen krachend gescheitert. Wer mitgezählt oder in der Teileliste gespickt hat, kommt auf Gabel, Dämpfer, Schaltgriffe, Schaltwerk, Kassette, Bremsen und Kleinkram, die es am Ende tatsächlich vom Spark ans Juliana geschafft haben. Nachdem ich nur so wenige Teile verwurstet hatte, war es klar, dass das Spark auch wieder aufgebaut werden musste, aber das ist eine Geschichte für ein anderes Mal.

tl;dr

Damen-Fully unter 10kg als vorgetäuschter Reste-Aufbau, noch ohne Fahrerin. Manche Menschen hängen sich Kunstdrucke von IKEA ins Wohnzimmer, ich eben Fahrräder, so what.

Update

Die Teileliste findest du hier: Santa Cruz Juliana
Alle Bilder der Einzelteile auf der Waage findest du hier: OneDrive-Order Santa Cruz Juliana

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