Was lange währt, wird endlich gut – der Aufbau meines Santa Cruz Tallboy 2 CC Nr. 1 war 2021 nach mittlerweile 7 bis 9 Jahren je nach Zeitrechnung abgeschlossen. Trotzdem hat es bis zur Vorstellung noch ein Jahr länger gedauert. Dieser Artikel ist schon über fünf Jahre in der Mache, denn die vermutlich meist gestellte Frage über das Bike verdient einen eigenen Beitrag – warum hat das so lange gedauert?

Natürlich ist die Antwort auf diese Frage in aller Ausführlichkeit ebenfalls vor allem eines – länglich. Im Nachhinein war es stellenweise sogar relativ aufwändig zu recherchieren, welche Fortschritte das Rad überhaupt wann gemacht hat und warum es Jahr für Jahr nicht fertig wurde. Damit dieser Beitrag nicht noch länger wird, habe ich Übersicht über die ganzen Teile, die auf der Strecke geblieben sind, in einen eigenen Artikel gepackt.

2012 – Eine Idee keimt auf

Nach SiS 2012 war klar: Ich muss verhindern, dass mir auf einer langen Fahrt die Hände abfallen. Ein Rad, das die kleinen Unebenheiten besser überrollt, sollte die Lösung sein. Das damalige Trek Fuel EX mit 120mm Federweg fand ich sehr interessant. Auf der anderen Seite war schon zu erahnen, dass wohl in Zukunft immer mehr leichte Racefullies mit 29″-Laufrädern kommen sollten. Tatsächlich war das 2012er Cannondale Scalpel 29 das erste Bike mit den großen Laufrädern, das mir optisch wirklich gefiel.

Natürlich stellte sich die Frage, was die Eckdaten eines neuen Bikes sein sollten, das ich turnusmäßig frühestens 2013 aufbauen wollte. Am Ende kristallisierte sich raus, dass es vor allem bergab zum Spark zulegen sollte, ohne die Bergauf-Eigenschaften zu verschlechtern. Wenn auch die Entscheidung zwischen 26″/120mm und 29″/100mm noch nicht feststand, wurde außerdem klar, welche Teile ich so begehrenswert fand, dass ich sie endlich mal an meinem Bike haben wollte.

Dazu zählten die Schaltung, die als Acros A-GE wiederauferstandene hydraulische 5Rot, die Cannondale Lefty als Benchmark von Gewicht, Steifigkeit und Feinfühligkeit und aus dem gleichen Haus die Cannondale Hollowgram Si SL 2 Kurbel.

2013 – Die Teileliste reift

Schon diese ersten Festlegungen machten klar: Es bleibt ein wenig Zeit für die Verfeinerung der Teileliste, denn aus der Portokasse würde ich das Rad sicher nicht bezahlen. Dennoch kaufte ich im Januar schon eine Syntace MX Hi-Torque Nabe, alleine schon, weil es sie zunächst nur in Komplettlaufradsätzen gab. Damals hat noch niemand von Boost geredet, es gab nur 10x135mm QR oder 12x142mm Steckachse und das ist ja im Normalfall durch Endkappen-Tausch umzubauen. Insofern war diese Investition nicht riskant, obwohl der Rahmen noch nicht mal feststand.

Schnell klar war, dass neben der hydraulischen Schaltung, den selbstverständlich ebenso angesteuerten Bremsen auch Lockout und Sattelstütze mit Öldruck bedient werden sollten. 2013 wurde schon von einer XTR Di2 gemunkelt (die im Folgejahr vorgestellt wurde) und die weitere Elektrifizierung war absehbar, von daher sollte das Rad irgendwie so ein bisschen ein Abschied vom mechanischen Zeitalter werden.

Damit waren Dämpfer und Sattelstütze gesetzt. Ja, die versenkbare Stütze am CC-Bike erschien mir damals schon sinnvoll, denn außer Mehrgewicht bringt die Variostütze keinen Nachteil wie griffigere Reifen, eine aufrechtere Sitzposition oder deutlich mehr Federweg, die den Vortrieb zusätzlich zum Gewichtsplus noch anderweitig beschneiden. Dabei hatte ich mehr Bewegungsfreiheit bei Singletrail-Gewusel um Bäume herum eher im Kopf als steile Abfahrten, denn mit der integrierten Stütze am Spark RC bin ich so ziemlich alles runter, was man noch fahren konnte und nicht frei fallen oder springen musste.

Die SRAM XX1 kam im Sommer auf den Markt und ich war eher so mittel überzeugt. Die Bandbreite war etwas knapp bemessen und die Sprünge etwas groß, in der Hinsicht hätte ich damals sozusagen auf die 2019er XTR 1×12 mit 10-45 gewartet. Deswegen und aufgrund der Tatsache, dass zu dem Zeitpunkt keine Acros A-GE mit 1×11 erhältlich war, bin ich also bei 2×10 geblieben.

Um die Entscheidungen für die restlichen Anbauteile in geordnete Bahnen zu lenken, wuchs die klassische Teileliste um mehrere Tabellenblätter, in denen ich Einzelteile mit ihren technischen Eigenschaften verglich und farblich positive und negative Aspekte hervorhob.

Auch wenn ich noch nicht ahnen konnte, wie lange es dauern würde, habe ich als zügig geplantes und ausgeführtes Projekt das Inspired Skye dazwischengeschoben.

2014 – Es wird ein Junge!

Und zwar ein großer Junge. Nach ausführlichen Vergleichen der möglichen Rahmen – 26″ stand jetzt schon nicht mehr zur Debatte, es war klar, dass dieses Kapitel für Racebikes Geschichte war – kam nur noch das Santa Cruz Tallboy in der gerade neu erschienenen Version 2 infrage.

Bei der Entscheidung waren theoretische Überlegungen zur Geometrie und zur Kompatibilität mit den bereits ausgewählten Teilen ausschlaggebend. Bei vier von neun Rahmen hätte ich den Vorbau nicht unter der oberen Gabelbrücke untergebracht, was aber für eine halbwegs sportliche Sitzposition unabdingbar ist, bei zweien war mit 27,2mm Stützenmaß die Reverb außen vor und bei einem war an der Kettenstrebe kein Platz für die Hollowgram. Übrig blieben Tallboy 1 und 2, wobei der Nachfolger in vielen kleinen Details besser und etwas leichter war. Nach einer kurzen Sitzprobe auf der schicken grünen Alu-Version von 2014 war klar, dass meine Gedanken zur Geometrie nicht völlig daneben waren und so wurde es der Rahmen in Größe L.

Wegen der Lockout- und Sattelstützen-Hebel waren die Bremshebel quasi festgelegt auf SRAM und damit blieben, weil ich unbedingt auf Adapter verzichten wollte, nur noch Trickstuff Cleg Bremssättel für die Kombination aus IS2000 und DOT zur Auswahl. Alle die restlichen Teile waren ausgesucht und bestellt und so konnte ich das Rad im Spätsommer tatsächlich zusammenbauen.

Neben dem ersten Zusammenstecken des Tallboy habe ich das Santa Cruz Juliana fertiggestellt, dessen Planung Ende 2013 begann. Als mir dämmerte, dass es mit dem Tallboy noch dauern könnte und das Juliana nicht so viele Teile wie zunächst gedacht vom Spark übernahm (na sowas!), habe ich zudem dieses wieder zu einem fahrbereiten Rad komplettiert.

Warum wurde das Tallboy 2014 nicht fertig, obwohl ich es schon zusammengebaut hatte? Die Frage würde sich erübrigen, würde ich ein Bild des bunten Elends posten. Mache ich aber nicht, es war einfach zu hässlich. Der Rahmen war ja noch dezent, aber die braunen Bremssättel, Schaltung in titangrau, verschiedene Carbongewebe, der Klarlack der Felgen grüngelbstichig, gelbe Klebenähte an den Kurbeln, hellblaue Hülse in der Kassette, Messing, Kupfer und so weiter und so fort.

Es war nicht nur klar, dass das gesamte Arsenal an Färbe- und Entfärbemethoden zum Einsatz kommen musste – Entlacken, Lackieren, Eloxieren, PVD und wenn gar nichts anderes mehr hilft Plastidip. Es zeigte sich auch, dass die Schalthebelbefestigung der Schaltung nicht würdig war – ich hatte einen Plan und zum Glück jemanden, der mir mit seinen CAD-Skills bei der Umsetzung helfen konnte.

2015 – Die fetten Jahre sind vorbei

Dieses Jahr ließ sich relativ schlecht nachvollziehen im Nachhinein. Anhand einiger Rechnungen kann ich sagen, dass im Januar wohl die größte Operation mit der Tretlagergehäusekürzung am Rahmen kurz bevorstand, dass im Februar die erste Testversion der Schalthebelschellen im in Plastik 3D gedruckt wurde und ich im März meinem Vater ein seit Ende 2014 geplantes und aufgebautes Storck Multiroad zum Geburtstag überreicht habe, mit einem Monat Verspätung natürlich.

Im April habe ich die neue Hinterradnabe in Form eines Laufradsatzes beschafft und diesen vermutlich im Juli irgendwann mit der alten Nabe verkauft. Dass Laufradbau bei mir Monate brauchte, zieht sich irgendwie wie ein roter Faden durch diese Geschichte. Ergänzung 26.02.2023: Bei der Recherche nach allen Laufrädern, die ich seit dem Upgrade auf den Park Tool TS-2.2 eingespeicht habe, habe ich hier nochmal tiefer gegraben und festgestellt, dass ich die Nabe am 9. Februar schon einzeln auf der Waage und den umgespeichten Laufradsatz bereits am 1. März im Bikemarkt inseriert hatte – in diesem speziellen Fall war ich also wohl mal flott, aber Ausnahmen bestätigen die Regel.

Dazwischen waren denke ich die Überlegung, ob ich den Rahmen überhaupt entlacke und wenn ja selbst entlacke oder entlacken lasse, ein halbherziges Beginnen des Entlackens und vielleicht noch gewisse Bauchschmerzen vor dem Zerlegen der Schaltung sowie das Sammeln aller Teile zum Eloxieren die Zeitfresser.

Warum ich Teile zu zwei verschiedenen Eloxierern geschickt habe, weiß ich nicht mehr – sehr gut in Erinnerung geblieben ist aber, dass die Firma den Dämpferkolben ruiniert hat, während der Hobby-Eloxierer perfekte Arbeit geliefert hat.

2016 – Der Lack ist ab

Das Jahr fing eigentlich gut an und es sah fast so aus, als sollte es für einen späten Saisonstart im Frühsommer endlich so weit sein – sogar die Schalthebelschellen wurden endlich in der finalen Fassung aus Titan gedruckt. Die letzten Hemmungen fielen, jetzt mussten noch Keramiklager und so ein Kram her. Zeitgleich nahm aber das Lack-Fiasko seinen Lauf.

Möglicherweise muss ich jeden, der ein altes Klein restaurieren will oder eine superabgefahrene Designidee ohne konkrete Umsetzungsanweisungen hat, weiterhin an die Firma verweisen, deren Name so viele Buchstaben hat wie mein Rechnungsbetrag Stellen. An meinem rigiden Konzept, dass ich keine Farbe und kein Carbongewebe sehen wollte, ist der große Meister leider aus Ignoranz, Unlust oder Unvermögen gescheitert und ich weiß gar nicht so genau, was ich davon schlimmer finden sollte.

Wenn jemand Cannondale-Kurbeln wegen einer 0,1mm breiten gelben Klebenaht lackieren lässt und dafür den Rahmen mit einer nach Entlackung sichtbaren ebensolchen Naht an der Umwerferaufnahme und – noch auffälliger – einem entgegen dem Auftrag auf der Unterseite unlackierten Speedneedle mit verdammt nochmal gelbschwarzen  Sattelstreben zurückbekommt, was soll man dazu sagen? Dass die Alu-Teile am Rahmen gar nicht und einige unschöne Stellen im Carbon nicht weiträumig genug lackiert waren, hat mich dann auch nicht mehr überrascht. Klar, ich hätte mich beschweren können, Nachbesserung fordern, Nachlass, die alte „Ich poste das auf Facebook, wenn nicht“-Leier auspacken können – das ist aber irgendwie nicht so mein Fall. Mehr als eine süffisante Nachfrage nach dem Farbton zum Fertiglackieren habe ich nicht mehr geschrieben, dafür erzähle ich es jetzt halt jedem der es hören will oder nicht.

Es hatte lange genug gedauert, bis ich mich zu dieser Firma durchgerungen hatte, da war das Ergebnis wirklich ein Schock. Daraufhin habe ich die Teile erstmal in die Ecke gestellt und die Fertigstellung für die laufende Saison abgehakt. Man kann also schon sagen, dass mich das ganze Erlebnis ein Jahr gekostet hat. Mit diesem Erguss möchte ich das Thema endgültig abhaken.

2017 – Jetzt aber! Ah ne, doch nicht.

Mitte April wollte auf dem ollen Spark ein neuer Hinterreifen nicht mehr dicht werden, sodass ich mich entschloss das Felgenband zu erneuern. Die Erkenntnis daraus war, dass nicht nur das Felgenband defekt war, sondern die Felgen längs gerissen waren. Wie sehr mich das in Stimmung versetzte, sieht man wie immer an meinen Trainings-Aufzeichnungen bei Strava, die an der Stelle mal wieder für mehrere Wochen aussetzten.

Das Stumpjumper wurde in erster Linie als Probestück für den Lackierer aufgebaut. Bis es fertig war, war es schon wieder Mitte Juni. Es machte überraschenderweise so viel Spaß, dass ich den Rest des Jahres über keinen wahnsinnigen Drang verspürte, mit dem Tallboy zum Ende zu kommen oder die Laufräder des Spark fertig zu zentrieren, während ich nur die Wochenenden zu Hause verbrachte und in der Zeit noch eine Wohnung renovierte.

2018 – The Final Countdown: Es fährt! Aber…

Irgendwie ist es tatsächlich passiert – am 27.5.2018 habe ich zum ersten Mal auf dem Tallboy gesessen. Möglicherweise hat das einschneidende Erlebnis, nach knapp 11 Monaten auf dem Stumpi Anfang Mai wieder mit dem Spark zu fahren, dazu beigetragen endlich fertig zu werden.

Gut, also erstmal zwei fahrbare Räder am Start, Wohnung halbwegs bewohnbar, Zeit für eine Side Quest: Keller aufräumen. Da man vor Rädern – also denen der ganzen Familie, nicht nur meinen – nicht mehr vorwärts oder rückwärts kam, habe ich drei Topeak Dual Touch mit je zwei Zusatzhaltern angeschafft, um etwas Ordnung zu schaffen.

Zwei Monate später war nach einer relativ harmlosen Reifenpanne am Tallboy klar, dass die Felgen für Tubeless nicht taugen, zumindest nicht ohne Schaumstoffeinlage, und damit ging die Grüblerei wieder los. Die Bremsen röhrten beständig über Versuche mit mehrere Bremsscheiben und -belägen hinweg, was ziemlich nervend war.

Anfang August wurde das Tallboy Nr. 2 fertig, was wiederum die Ambitionen einen neuen Laufradsatz für das Tallboy Nr. 1 zu bauen und das Röhren final zu beseitigen ziemlich bremste. Das zweite Tallboy ergab sich eher aus dem Zufall den Rahmen ungefahren und günstig im Bikemarkt zu finden und mir war nach einer unstressigen Kopie meines guten Rades um einfach nur zu fahren.

Die Radständer habe ich nicht grundlos erwähnt: Weil das Stumpi nun unter der Decke hing, fiel mir gegen Ende August auf, dass die starre Carbon-Lefty am Fuß einen Riss rundherum hatte – immerhin, denn wie lange hätte sie noch durchgehalten? Dennoch nahm das Unglück, wenn auch ohne Gabelbruch, Sturz, Verletzung seinen Lauf. Die Idee mit drei austauschbaren Laufradsätzen war für den Arsch, eine Federgabel wollte ich im Stumpi genauso wenig wie die ebenso schwere starre Alu-Lefty von Cannondale.

Eine billige China-Carbongabel mit 15mm Steckachsaufnahme habe ich zwar Mitte September schon bestellt, die Laufrad-Teile für Tallboy Nr. 1 und eine 15x100mm-Nabe für den Laufradsatz aus dem Tallboy Nr. 2 Ende September. Im November reifte der Entschluss gleich noch den 10fach-Antrieb vom Stumpi mit dem 9fach-Antrieb vom zweiten Tallboy (geerbt vom ollen Spark) zu tauschen, um wenigstens die beiden Laufradsätze der Tallboys direkt gegeneinander wechseln zu können.

Auf dem Rad gesessen habe ich aber erst 7 Monate nach der unerfreulichen Entdeckung wieder, bis ich wieder halbwegs regelmäßig gefahren bin, sind nochmal zwei Monate vergangen. Da war ich schon in einem recht tiefen Loch – zusammen mit der Baustelle Keller wusste ich einfach nicht mehr, wo ich anfangen soll, um halbwegs sinnvoll zu arbeiten, es ging also extrem schleppend voran.

2019 – Tallboy Nr. 2 ist schuld

Irgendwie habe ich mich am Ende doch noch aufgerafft, bis Mitte April hatte ich ein neues Gartenhaus aufgebaut, das einen Teil des Krams aus dem Keller aufnahm, neue Regale angeschafft, sämtliche Baumaterialien und sonstigen eingelagerten Schätze neu verstaut und die Umbauten an Stumpi und Tallboy Nr. 2 vollendet. Was als letztes fertig wurde: natürlich das Vorderrad vom Stumpi.

Anfang Mai habe ich es trotzdem noch geschafft, die neuen Laufräder zusammenzustecken. Um die Felgen nicht zu überlasten, wollte ich mit dem Fertigzentrieren warten, bis ich meinen Tensiometer vermessen konnte. Das sollte mit einem selbstgebauten Messstand geschehen, der im Prinzip aus einem Rahmen aus Alu-Profilen besteht, in den eine Speiche gespannt und über eine präzise Hängewaage die Vorspannung gemessen wird. Um die Speiche einzuhängen hatte ich eine grobe Idee, jemand wollte mir bei der Umsetzung helfen – was soll ich sagen, ich hatte das Gerät erst im Jahr darauf wieder und musste es doch selbst lösen.

Im Sommer war ich dann mal eben vier Wochen durch einen Sturz mit Rippenprellung lahmgelegt. Nachdem es langsam wieder angefangen hatte, zu rollen, folgte im August eine Erkältung, die in Zahnschmerzen mit Ersatz gleich zweier Zähne mündete, was mich noch bis ins Folgejahr beschäftigte. Damit fielen Veranstaltungen für mich ins Wasser, die vielleicht den Ausschlag gegeben hätten und um alleine im Wald rumzugurken war das Tallboy Nr. 2 einfach gut genug.

Mitte September habe ich noch aufgrund einer Schnapsidee das Stumpi seiner Laufräder beraubt, es auf die Rolle und einen eigens gebastelten Vorderradhalter geschraubt und um den Laufradsatz herum ein Gästerad aufgebaut – mit einem China-Carbonrahmen, weil mich die Verarbeitungsqualität interessiert hat, und einer kompletten 12fach-XT, die ich auch mal in der Hand halten wollte. Ab und an so ein Aufbau ohne Probleme, hier sogar ohne Wiegen der Einzelteile, ist einfach Erholung pur.

2020 – Corona, was sonst

Eine doofe Idee war das vor allem, weil wegen Corona jegliche Gäste ausblieben, was das Gästerad überflüssig machte. Mit der Pandemie wurde alles abgesagt, was mich dazu hätte motivieren können, das Tallboy Nr. 1 zum Saisonstart fertig zu kriegen. Ganz im Gegenteil: Im März habe ich eine Excelliste begonnen für den Nachfolger. Außerdem ging es nach einer kurzen Phase der Unsicherheit richtig rund in der Fahrradbranche, da hatte ich wenig Nerven für irgendwas.

Irgendwann im Sommer, meine Erinnerung ist da ganz verschwommen vor lauter Schmoren im eigenen Saft, habe ich den Tensioner zurück- und fertigbekommen, den Laufradsatz fertig zentriert, natürlich erst im zweiten Anlauf das Felgenband dicht- und mit kurzzeitigem Lagern in der prallen Sonne sogar die Reifen drauf bekommen. Außerdem habe ich beide Lefties auf 2Spring umgerüstet, nachdem die am Tallboy Nr. 2 den typischen Fehler gezeigt hatte, der damals zur Rückrufaktion führte.

Von August datiert meine Bestellung von Service-Kits für die Bremshebel, weil diese sich als völlig unbeweglich herausstellten, just als ich die Laufräder einbauen wollte. Montiert habe ich sie Anfang Dezember, was soll ich sagen, es war viel los. Das Geräuschproblem habe ich bei der Gelegenheit auch beseitigt.

2021 – Finale

Nachdem ich – entweder am Anfang des Jahres oder schon nach dem Bremshebelservice – festgestellt hatte, dass die Stütze leichtes vertikales Spiel hat, was ich für Einsacken hielt, der Dämpfer schmatzte sowie keine Luft in der IFP-Kammer hielt und zu guter Letzt der eigentlich noch neue Lenkergriff rechts doch neu musste, weil er vom dünnwandigen Carbonlenker einen kleinen Cut bei der Montage davongetragen hatte, der mich mittlerweile störte, hatte ich schon wieder keine Lust mehr.

An den Lenkergriff habe ich mich kurz danach doch herangetraut und mit mehreren Hektolitern Bremsenreiniger ging er einigermaßen gut drauf, trotz der reibungserhöhenden Gummieinlage im Lenker. Den „alten“ Griff habe ich der Länge nach aufgeschnitten, er wollte einfach nicht runter.

Ende Februar habe ich eine gebrauchte Lefty ergattert und damit das Stumpi als MTB aufgebaut, um es zu verkaufen. Es bekam einen 1×12-Antrieb, während die vorhandene 9fach-Schaltung an mein neues Rollenrad wanderte, das bisher im Keller als Viertrad meines Vaters vegetierte. Um die Kurbel des Tallboy Nr. 2 dafür zu gewinnen, bekam dieses eine gebrauchte, deren Spider leider erst mal stark befeilt werden musste, damit das Rotor-Kettenblatt passte.

An die hydraulischen Systeme am Tallboy Nr. 1 ranzugehen, ist aufgrund der gemeinsamen Leitungsverlegung und der sozusagen vollintegrierten Hebel so angenehm wie Zahnarzt. Zusätzlichen Ansporn durch anstehende Veranstaltungen gab es keine. Anfang Juli habe ich dennoch in einem Anflug von Motivation an einem regnerischen Tag die Stütze und den Dämpfer überholt sowie den Umwerfer entlüftet. Den Stützenservice hätte ich mir sparen können, denn was ich als 1-2 mm Einsacken wegen Luft im Öl interpretiert hatte, war nachgemessen eigentlich nur knapp zwei Zehntel Millimeter vertikales Spiel vom Innenleben im Außenrohr. So verschätzt man sich. Immerhin hat sie jetzt den aktuellen IFP drin.

Der Dämpferservice war schon nötig, weil er ja geschmatzt hatte, aber das Problem mit dem IFP hätte ich vorher beheben können ohne großen Aufwand – das Ventil, das ich eingebaut hatte, weil ich das originale für undicht hielt, schloss einfach nicht. Es war innen einen Hauch zu lang und klemmte dort im geöffneten Zustand.

Zu guter Letzt habe ich noch einen neuen Sattel probiert und im Zuge dessen mit der Sitzposition gespielt. Endergebnis war, den 111mm-Flatforce vom Stumpi zu übernehmen, was aufgrund von 2mm mehr Klemmhöhe den Tausch des noch flacheren oberen Steuersatzes mit dem Tallboy Nr. 2 nötig machte.

2022 – Machtwechsel

Für das neue Rennbike habe ich die Reifendrucksensoren und den Garmin-Halter geklaut. Weder fahre ich mit dem Tallboy irgendwelche Veranstaltungen, wo eine Druckanzeige im Pannenfall relevant wäre, noch so lange Touren, dass ich potenziell den Zusatzakku an den Garmin hängen muss.

Das war es aber jetzt. Da der Nachfolger schon fährt und am Tallboy im Grunde kaum ein Teil tauschbar ist ohne einen unfassbaren Rattenschwanz an weiteren Änderungen nach sich zu ziehen, ist es damit tatsächlich fertig.

Fazit

Dass ich hohe Ansprüche an meine Aufbauten habe, dürfte bekannt sein. Um alle Ideen beim Tallboy umzusetzen, musste ich mich teilweise auf Dritte verlassen, teilweise mit ungewissem Ausgang selbst Dinge in Angriff nehmen, die gänzlich neu, ungewohnt oder zumindest lästig für mich waren und manchmal schwankte ich zudem noch ewig zwischen den beiden Optionen. Das allein hätte vermutlich noch nicht zu dieser Odyssee geführt. Die äußere Umständen, um es mal so ganz schwammig zu benennen, waren der Grund dafür, dass mich jegliche Rückschläge so extrem demotiviert haben und auch noch eine Aufbau-Deadline – immer eine gute Motivation für Menschen, die zur Prokrastination neigen – in Form einer Teilnahme an Rennen ausfiel. Es fällt leichter, das jetzt in 2022 zu schreiben und mit dem ganzen Thema abzuschließen, wo die neuen Räder rollen und ich meinen Fokus wieder aufs Radfahren legen kann.

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